Eine Reise in die Provence

Herzlich willkommen!

Ich möchte Ihnen auf meiner kleinen Internetpräsenz meine Erlebnisse aus der Provence näherbringen, die ich in meinem Buch „Café du Centre“ gesammelt habe.

Es ist kein Roman oder Reiseführer im klassischen Sinne. Es ist eine Sammlung von Begebenheiten und Beobachtungen, die ich im Land der Märkte und des „Savoir vivre“ machen durfte.

„Wir verwirklichen unseren Traum, verlassen für neun Monate Deutschland und wollen in der Provence im Departement Haut Vaucluse leben, angeregt durch einige vorangegangene Reisen in den Süden Frankreichs und durch die Lektüre von Marcel Pagnol und Peter Mayle.

Kein Bedenken, kein Schwachwerden vor dem, was vor uns liegt, was auf uns zukommt; nein, wir fahren in eine wunderschöne Region Frankreichs, um in zwei kleinen Dörfern unter und mit Franzosen zu leben. Wir wollen während unseres langen Aufenthalts die verschiedenen Jahreszeiten erleben, tiefer in das alltägliche Leben der Franzosen, der Provenzalen eintauchen, die Menschen und ihr Leben intensiver kennenlernen, als es bisher auf unseren Provence-Reisen möglich war, das schließt auch das Kennenlernen provenzialischer Sitten und Bräuche mit ein, wann immer sich eine Möglichkeit bietet.

Eine Winzerfamilie, vor allem Mutter und Tochter, hat unser Anliegen von Anfang an verstanden.

Und da ist noch etwas, was wir uns vorgenommen haben: Unser Aufenthalt soll zeichnerisch und schriftlich zu einer bleibenden Erinnerung werden. Herausgekommen ist dieses Buch.“

Neugierig geworden?

Dann kommen Sie mit auf unsere Reise in die Provence!

Ihr

Meine Vita

1943 in Dresden geboren

ab 1946 aufgewachsen in Lüdenscheid-Brügge

Abitur am Zeppelin-Gymnasium Lüdenscheid

Lehramtsstudium an der Ruhr-Universität Bochum in den Fächern Deutsch und Sport

nach dem 2. Staatsexamen 35 Jahre Lehrer
am Anne-Frank Gymnasium Halver

2014 erscheint die Erstauflage „Café du Centre“ in der Westfälischen Reihe, Münster

In den Jahren 2014 – 2018 folgen mehrere Lesungen u.a. in Hamm und an verschiedenen Orten in Münster

2024 erscheint die Neuauflage „Café du Centre“ mit neuen Geschichten und Zeichnungen im Selbstverlag (ISBN: 978-3-00-076855-2. Preis: 19.00 EUR)


Leseprobe


Die Wochenmärkte – Lebensvielfalt und Lebensfreude

Ich habe schon viele Wochenmärkte besucht, mit Vorliebe im Ausland: Griechenland, Portugal, Spanien, Italien, Frankreich. Vor allem die Märkte in der Provence haben es mir angetan, sie sind für mich etwas Besonderes. Sie sind ein Erlebnis, ein Festival der Sinne. Die Märkte der Provence bieten Vieles im Überfluss. Die Provence ist der Garten Eden. In diesem Klima, begünstigt durch die optimale Mischung aus Wärme und Feuchtigkeit, ernten die Menschen im Laufe eines Kalenderjahres typische Produkte der Region. Produkte, deren Namen ich noch nicht gehört, geschweige denn in Natura gesehen und auch gegessen habe. Der Wochenmarktbesuch in der Provence ist daher für mich mehr als nur ein Besuch oder Gang um einzukaufen. Es ist ein Eintauchen in eine Welt, in der meine Sinne neu belebt werden.

Was ist das Besondere an diesen Wochenmärkten?

Viele Märkte in der Provence können auf eine lange Geschichte zurückblicken, ganz oft werden sie auch heute noch an Plätzen, in Straßen und Gassen abgehalten, die historisch belegt sind. Vielerorts an Stellen, an denen der Atem vergangener Jahrhunderte noch zu spüren ist. In Stein geschlagene Spuren der Griechen, Römer – hier ein Tympanon, dort ein Architrav, Säulen, Häuser aus dem Mittelalter, der Renaissance, dem Barock.

Ja, ich kann mir gut vorstellen, wie vor Jahrhunderten das bunte Marktreiben innerhalb der Stadtmauern von Carpentras, Avignon, Arles, aber auch in kleineren Städten wie Ste. Cécile-les-Vignes oder St. Rémy ausgesehen haben könnte; wie die Markthändler ihre Ware, in der näheren Umgebung angebaut, geerntet, auf den Markt getragen oder gefahren haben. Wie gehandelt und gefeilscht wurde.

Die historische Kulisse ist es nicht allein, die mich auf diesen Märkten in eine andere Welt entführt. Die historische Kulisse bildet den Rahmen um ein Bild, das durch das Gegenständliche, die Marktstände mit ihrer Ware, die Menschen, aber auch durch das Sinnliche, die Farbenvielfalt, das Atmosphärische lebt und leuchtet. Es ist ein Bild, das meine Sinne trifft, es kommt einem Sinnenrausch gleich, sie stürzt auf mich ein; es wird schwierig die Eindrücke festzuhalten, mitzuteilen, da sie gewaltig, vielfältig, gleichzeitig sind.

Es sind die Menschen, die Marktbesucher, eine Melange aus Einheimischen und Fremden, Touristen, die sich durch die Gassen der Marktstände treiben lassen, aus den unterschiedlichsten Gründen vom Marktgeschehen angezogen werden.

Eine provenzalische Basttasche an der Hand, den Einkaufszettel abarbeiten; mit dem Nachbarn, den man getroffen hat, plaudernd in der Sonne stehen, Neuigkeiten austauschen; bummeln; die ausgelegte Ware begutachten; Freunde in oder vor der Bar bei einem Café treffen, ein Gläschen Rosé trinken; sich treiben lassen.

Ich sehe, dass der Einkauf mit einer auffälligen Ruhe ohne Hektik abläuft; ein ungewohntes Verhalten für mich Deutschen. Zeit scheint keine Rolle zu spielen, man nimmt sich Zeit, entschleunigt die Zeit.

Geduldig stellt man sich in die Reihe der Käufer. Die Wartezeit wiederum bietet die Möglichkeit Rezepte auszutauschen, Bekannte zu begrüßen, von der typisch flüchtigen Wangenküsschenzeremonie rechts, links, rechts begleitet. Bezahlt wird häufig mit einem Scheck, der an Ort und Stelle ausgefüllt, aus dem Scheckheft herausgetrennt wird, ab und zu noch von einer netten Bemerkung des Verkäufers oder der Verkäuferin begleitet; alles geschieht ohne Hektik, ohne Kommentar der Wartenden.

Es sind auch die Markthändler, ein besonderer Menschenschlag, die das vielfältige Warenangebot an ihren Ständen in teils aufwändiger Art und Weise dekorativ zur Schau stellen.

Ein Supermarkt unter freiem Himmel! Nein, welcher Supermarkt könnte diese Wochenmarkt-Atmosphäre vermitteln. Sind wir denn auf einem bunten Jahrmarkt? Dann ginge es auf ihm verhältnismäßig ruhig zu; denn selten wird die Ware lautstark angeboten, eher hört man, wie eine Melodie gesummt oder ein Lied geflötet wird. Die Marktbesucher werden höflich und zurückhaltend angesprochen; am Blumenstand im Vorübergehen auch schon mal mit einer Rose beschenkt; diskret wird Ware zum Probieren angeboten, das können schon mal eine geöffnete Auster, ein Stück Käse, eine Tapenade auf einem kleinen Holzlöffel, Oliven in einem Schälchen, ein Stück Nougat sein.

Ware wird abgewogen, im Kopf oder auf einem Zettel zusammengerechnet; an Ständen Kleidung durchstöbert, kritisch betrachtet, gelegentlich gefeilscht.

Ein Wurstverkäufer sitzt in der Sonne auf dem Fahrersitz seines Autos, blättert in der Tageszeitung, schaut ab und zu mal auf, wenn sich ein Kunde seinem Stand nähert, grüßt freundlich, auch wenn sich der Kunde abwendet.

An einem Käsestand, der nur aus einem einfachen kleinen Campingtisch besteht, wird Frischkäse von der Ziege und vom Schaf verkauft; ein weißes Tuch verdeckt ihn diskret. Neben dem Tisch steht ein aufgespannter Sonnenschirm, ein Sonnenschutz für den Käse. Nähert sich ein Kunde, kommt Bewegung in den Stand. Der Verkäufer hebt das Tuch an und zum Vorschein kommen Käse, die die Form eines Eishockey-Pucks haben: weiß, fest oder cremig, mit und ohne Kräutern, liegen sie schön aufgereiht auf kreisrundem weißen Papier; frisch vom Bauernhof. Die Ware verkauft sich gut, der Bauer macht einen zufriedenen Eindruck. Zusätzlich bietet er ein paar Gläser mit selbstgemachter Konfitüre an.

Die Obst-und Gemüsestände fallen durch ihre Farbenpracht und Warenvielfalt auf. Je größer der Markt, umso vielfältiger in den verschiedenen Jahreszeiten auch das Warenangebot an Äpfeln, Birnen, Trauben, Quitten, Kakis, Feigen, Melonenarten, Kaktusfrüchten, Himbeeren; an Gemüsesorten, bekannte und mehr oder weniger unbekannte, die ich noch nie gesehen, also auch nicht gegessen habe: Spinat, Salatsorten, Karden (Stiele von einer Distelart), Zwiebeln, Porree, Artischocken, rote Kartoffeln, Bohnensorten, Tomatensorten, Knoblauch, Mangold, Paprika, Zucchini, Kürbis, Auberginen, Kichererbsen; die Aufzählung ließe sich fortsetzen; Kräuter im Überfluss, vorwiegend von Händlern mit afrikanischen Wurzeln angeboten: Petersilie, fast ausschließlich die glatte, Majoran, Minze, Eisenkraut, Lorbeer, Koriander; die Klassiker Basilikum, Rosmarin, Salbei: und alles frisch.

Es gibt Obst- und Gemüsehändler, die ihre Ware ausschließlich in Kisten zum Verkauf anbieten, sie wird nicht erst dekorativ in Szene gesetzt. Die Kunden wissen anscheinend die Qualität der Ware in dieser Darbietungsart zu schätzen. Sie wissen, es ist absolut frische Ware, morgens erst geerntet, Produkte aus der Umgebung, nicht erst auf langen Wegen aus dem Ausland importiert.

An diesen Ständen ist Selbstbedienung. Mit kleinen Körben oder Schüsseln aus Kunststoff ausgerüstet, geht der Kunde an der Warenauslage entlang, prüft eigenhändig, wählt aus, legt die Ware in das Körbchen oder in die Schüssel, reiht sich ein und wartet, bis sein Warensortiment ausgewogen und dann in dünnen, fast durchsichtigen Plastiktüten verstaut wird.

Hat der Franzose kein Umweltbewusstsein? Beinahe alles, was auf den Märkten verkauft wird, verschwindet in Plastiktüten. Warum wird die Ware nicht in Papiertüten eingepackt oder gleich in einen Einkaufskorb gelegt? Zumal das Einpacken der Marktware nicht einfach ist, da die Tüten so dünn und schwierig zu öffnen sind. Originell und effektiv die Lösung des Problems durch einen Verkäufer nordafrikanischer Herkunft. Er fährt mit zwei Fingern, Daumen und Zeigefinger, über eine durchgeschnittene Tomate, feuchtet sie damit an und die Tüte lässt sich durch Gegeneinanderschieben der Folienlagen problemlos öffnen. Während die Ware schon ausgewogen wird, gibt es noch spontane Äußerungen, Fachsimpeleien über die „Tütennummer“. Bevor bezahlt wird, bittet der eine oder andere Käufer um Kräuter, die wie selbstverständlich gratis mit eingepackt werden, meistens glattblättrige Petersilie, begleitet im provenzalischen Dialekt, der sich in der Aussprache deutlich vom Schulfranzösich unterscheidet, es fehlen die Nasallaute.

Kein Markt ohne Fischstände. Auch sie eine Augenweide für die Marktbesucher, gleichgültig ob nur als Besucher oder Käufer. Die Ware liegt verlockend frisch und appetitlich auf gestoßenem Eis, auch mit Kräutern garniert. Kein Fischgeruch! Das Warenangebot überwältigend. Die Augen sind verwirrt. Worauf sollen sie sich zuerst konzentrieren? Verschiedene Austernsorten, Thunfisch, Kabeljau, Rotbarbe, Lotte, Schwertfisch, Goldbrasse, Wolfsbarsch, St. Petersfisch, Hecht, Sardinen, Tintenfisch; ergänzt durch Schalen- und Krustentiere: Miesmuscheln, Tellmuscheln (auch Plattmuscheln genannt), Jakobsmuscheln, Langusten, Krabben in verschiedenen Größen. Es wird schwierig, die angebotene Ware vollständig aufzuzählen. Ich belasse es bei dieser Auswahl.

Die Fischhändler arbeiten mit weißen langen Gummischürzen, Gummistiefeln; hier wird ein ganzer Hecht in Scheiben zerteilt, in einer hängenden Waage abgewogen, dort Tintenfische gekonnt ausgenommen, die mit Tinte geschwärzten Hände anschließend im Frischwasser gereinigt und an einem Handtuch abgetrocknet, das scharfe Messer mit einem Tuch gesäubert. Voilà!

Gleich nebenan ein Stand mit Wurstwaren. Seine Besonderheit: Er bietet alle Wurstsorten luftgetrocknet an; auch hier schlägt die überwältigende Vielfalt zu: vom Schwein, Rind, Kalb, Fasan, Wildschwein, Kaninchen, Lamm; mit Oliven, Thymian, Rosmarin, Nüssen, Knoblauch… Ich glaube, die Aufzählung ist damit noch nicht am Ende. Schönheiten sind die Würste nicht, eher formlos, die Haut stumpf, weißlich; äußerlich kaum voneinander zu unterscheiden, aber im Geschmack überzeugend. Um das zu überprüfen, benötigt man allerdings ein scharfes Messer. Die luftgetrockneten Würste haben eine feste, z. T. sehr feste Konsistenz. Es gibt Wurststände, da liegen kleine Häppchen zum Probieren aus. Probieren kann der Kunde auch an den Ständen, an denen Tapenaden und Oliven, verschieden zubereitet, verkauft werden. Mit kleinen Löffeln wird die Tapenade als Probe gereicht, die Oliven in einer runden Holzschaufel mit Löchern, damit die Flüssigkeit, in der sie liegen, ablaufen kann.

An den Käseständen bilden sich oft Schlangen mit Wartezeiten, aber wen stört das? Der Franzose und der Käse, eine Art Symbiose. Gerade in Frankreich ist Käse nicht gleich Käse. Käse, Käse, Käse, wohin das Auge sieht. Es ist nicht einfach den Überblick zu behalten. Vom Schaf, von der Ziege, der Kuh aus allen Landesteilen Frankreichs, die verschiedenen Herstellungsarten, Reifegrade, kleine und große Laibe. Die Ware verströmt Düfte. Ja, der Franzose ist ein Feinschmecker, vor allem wenn es um Käse geht. Er lässt sich gern in die Welt des Käses verführen, lauscht interessiert den fachlichen Ausführungen des Käseverkäufers, probiert gern und oft, bevor er sich für einen Käse entscheidet, kauft dann aber auch großzügig ein.

Dem Käse gegenüber ein Stand mit Olivenöl, hergestellt in einer Ölmühle in der Provence, abgefüllt in Flaschen verschiedener Größe und in Kunststoffkanistern. Zum Probieren liegen kleine Weißbrothäppchen bereit, die die Verkäuferin mit dem kaltgepressten Olivenöl beträufelt, dem interessierten Käufer reicht, kurz den Charakter des Öls beschreibt, während der Kunde kaut und zuhört. Am Stand werden zusätzlich noch Honigprodukte angeboten und Honigsorten, von denen ich noch nicht gehört habe, z.B. von Rosmarinblüten.

Ein Stand mit Lavendel und Lavendelprodukten, ein unverwechselbarer Duft umgibt den Stand: lose, als Bund am Halm, in Leinensäckchen, groß, klein, bunt, abgefüllt und mit einer Schleife zugebunden oder in Seife verarbeitet; Lavendelhonig. Lavendel und Lavendelprodukte sind als Souvenir sehr beliebt.

(…)

Wochenmarkt in der Provence

Dagegen eignen sich Produkte, die man am Stand eines Metzgers kaufen kann, wohl eher nicht als Souvenir. Viele Metzger in der Provence nennen sich auch Traiteur (Partyservice). Beeindruckend auch hier das Angebot.

Eine kleine Auswahl gefällig: Fleisch vom Rind, Schwein, Kalb, Lamm, Stier; Geflügel, Wachteln; Kaninchen; Wildspezialitäten,… An Wurstwaren liegen hier vor allem Schinkensorten aus, aber nicht wie bei uns Deutschland bereits geschnitten, nein, in der Provence wird der Schinken erst geschnitten, wenn er gekauft wird; die Scheiben sind oft allerdings erstaunlich dick. Innereien, gebratene Schweinepfötchen; vorbereitete Tartes mit Zucchini, Lauchzwiebeln oder Auberginen; provenzalische Metzger und Traiteure sind wahre Meister in der Herstellung von Fleischpasteten, ihre Bezeichnungen lassen schon vor dem Verzehr das Wasser im Mund zusammenlaufen, appetitlich, das Auge isst nachweislich mit. Verkauft werden sie in Scheiben aus flachen oder hohen Keramikschüsseln.

Auf bestimmten Märkten findet der Marktbesucher auch den einen oder anderen Metzger, der ein spezielles Angebot für Muslime bereithält. Es sind größtenteils Märkte in großen Städten und in Orten, in denen viele Muslime leben, das ist z.B. in Carpentras und Bollène der Fall. Auf dem Markt in Bollène sieht man viele Kopftücher und das Warenangebot ist eindeutig auf die Bedürfnisse der Muslime abgestellt.

Ein Gewürzstand, die Augen und vor allem die Nase kommen voll auf ihre Kosten; viel anders kann es an einem Stand mit Gewürzen im Orient auch nicht aussehen und duften. Gewürze, Gewürzmischungen in Holzschachteln, offen angeordnet oder abgepackt in Tüten, verschlossen; diese Farbenmischung, diese Gewürzanordnung: ein großartiges Bild.

Was ist das? Ein Stand mit frischer Pasta! Das Leib- und Magengericht der Italiener auf einem Wochenmarkt in der Provence? Warum nicht? Gibt es doch in fast jedem französischen Dorf eine Pizzeria; Inhaber: ein französischer Pizzabäcker. Fehlt die Pizzeria, steht aber ein- oder zweimal in der Woche auf dem Dorfplatz ein mobiler Pizzadienst. Also, warum nicht auch frische Pasta auf dem Markt, sieht lecker aus und die Nachfrage ist groß.

Ach ja, wo ich gerade Produkte erwähne, die der Franzose von Haus aus nicht als landestypisch kennt; auf den Märkten verkaufen Franzosen Paella oder Nudelgerichte mit Muscheln z.B., fix und fertig in großen Pfannen für das Mittagessen angerichtet. Es muss schmecken, denn gegen Mittag ist nur noch der Boden der Pfannen zu sehen.

Frische Eier von freilaufenden Hühnern, in Eierkartons, nach Größe sortiert, sind im Angebot. Und tatsächlich, eine umweltbewusste Frau gibt leere Eierkartons ab und lässt sie wieder mit frischen Eiern füllen. Wer hätte das gedacht!

Ein Stand mit Baguette fehlt natürlich auf keinem Markt in der Provence. Die Vielfalt der Baguette-Sorten fällt sofort auf; verkauft wird es überwiegend in einer langen Papiertüte verpackt oder in einem kleinen Stück Papier eingeschlagen.

Für mich immer noch und immer wieder ein Bild, bei dem ich schmunzeln muss; denn es ist so, so typisch französisch, ich sollte über das Baguette eine kleine Geschichte schreiben.

Das klassische Baguette hat Konkurrenz bekommen. Wer schon ein paar Jahre nicht mehr in Frankreich gewesen ist, wird sich die Augen reiben. Da findet man in der Boulangerie neben dem Baguette auch Brot, das deutlich dunkler ist, auch anders in der Form, mit verschiedenen Körnern. Und in den Supermärkten, man glaubt es kaum, Globalisierung sei Dank oder vielleicht auch nicht, findet der eifrige Wühler Schwarzbrot und Pumpernickel aus Deutschland (!!), aber in überschaubarer Menge.

Die Märkte in der Provence wären aber keine Märkte im Sinne von: Hier wird alles unter freiem Himmel angeboten, also werden sie noch um weitere Warengruppen ergänzt.

Generell sind auf den Märkten die Stände in etwa nach Warengruppen angeordnet. Das trifft auch für Kleidung im weitesten Sinne zu. Im Warenangebot: Schuhe, Hüte, Mützen, Hosen, Jacken, Unterwäsche, Kleider, Röcke, Socken; eigentlich alles, womit Frau und Mann sich einkleiden.

Ergänzt durch Stände mit Haushaltwaren, Decken für den Tisch und für das Bett; Bilder mit typischen Motiven der Provence, gedruckt, gemalt, teils schön, aber auch kitschig. Steingut (der Fachmann sagt auch Steinzeug) in provenzalischen Mustern und Farben; Gürtel, Schnallen; Laguiole-Messer (Qualitätsmesser mit einem Bienchen am Griff); Korbwaren; ab und zu ein Stand mit Spielzeug, das Angebot in Teilen nur bedingt pädagogisch sinnvoll; CDs; vereinzelt trifft man auch musizierende Peruaner an, die sich eine freie Fläche auf dem Markt ausgesucht haben.

Die Märkte in der Provence werden nach einem festen Wochenplan abgehalten. Schön für die Menschen, die mit Vorliebe Märkte besuchen; wer also Zeit hat, kann es so einrichten, dass er an jedem Wochentag einen anderen Markt aufsucht um einzukaufen oder zu bummeln oder Menschen zu studieren oder die besondere Atmosphäre einzusaugen oder alles zusammen. Menschen, die in der Provence Märkte aufsuchen und sie als Spiegelbild der Lebensfreude und Lebensvielfalt erleben, sind Menschen, denen ich gut nachfühlen kann, denn ich erlebe sie so.

Leseprobe 2


Boule oder Pétanque?

Wir wandern von Cécile nach Rochegude, einem Nachbarort, um dort wieder einmal im Café du Cour zu Mittag zu essen. Der Weg führt leicht auf und ab, schlängelt sich durch Weinfelder; Autos begegnen uns, jetzt im Spätherbst, ganz selten.

Es ist still in den Weinbergen, nur hier und da erledigt ein Winzer Restarbeiten. Die Weinernte war in diesem Jahr ungewöhnlich früh, obwohl es im Januar diesen gewaltigen Kälteeinbruch mit enormen Schneemengen gegeben hat. Die Winzer sind dennoch mit der Ernte und der Weinqualität sehr zufrieden.

Vor Rochegude verlassen wir die Weinfelder. Parallel zur Straße verläuft eine hüfthohe Mauer.

Beim Blick über die Mauer sehen wir unterhalb der Mauer einen großen Platz mit Bänken, Bäumen und Flutlichtmasten. Um diese Zeit ist das Gelände gähnend leer, es ist absolut still.

Nein, mein Magen knurrt hörbar. Wir sollten das Bistro aufsuchen und die einfache, aber köstliche Küche genießen.

Wir sind wieder nicht enttäuscht worden und verlassen nach dem Essen zufrieden das Bistro. Auf dem Rückweg nach Cécile kommen wir am alten gedeckten Waschplatz mit freistehendem Brunnen und an der Mairie vorbei.

„Klick!“, „Klick!“, kurz danach noch einmal dieses Geräusch. Wir folgen ihm und stehen wieder an der Mauer, von der wir auf dem Hinweg auf einen stillen, menschenleeren Platz geschaut haben, auf dem sich jetzt aber viele Menschen aufhalten, Männer und Frauen. Ihre Körper werfen um diese Zeit wie die Platanen bizarre Schatten auf den Boden des Platzes.

Gespielt wird mit metallisch glänzenden Kugeln, die dieses Klick-Geräusch hervorrufen, wenn Metall auf Metall stößt.

Boulespiel in der Provence

Hier wird Boule gespielt! Es wird doch überall in Frankreich gespielt, besonders gern in der Provence. Nationalsport sozusagen. Also findet hier ein Boule-Turnier statt.

Direkt unter uns spielen vier Männer. Im Moment ist nur einer aktiv; er hockt in einem kleinen Kreis und hält in der rechten Hand eine Kugel. Er wirft sie in Richtung der anderen Kugeln, die ein paar Meter von ihm entfernt verstreut liegen. Zwei Männer stehen seitlich auf Höhe der Kugeln und beobachten den Spieler im Kreis. Ihnen gegenüber steht ein einzelner Mann, der ebenfalls zum aktiven Spieler schaut. Hier spielen ganz offensichtlich zwei Mannschaften gegeneinander.

Der Spieler im Kreis wirft nach einer Konzentrationsphase die Kugel locker aus dem Handgelenk, der Handrücken zeigt nach oben. Die Kugel verlässt die Hand, gewinnt an Höhe, beschreibt einen Bogen, fällt auf den Boden, rollt noch ein Stück voran, ohne eine andere Kugel zu berühren, und bleibt dann liegen.

Der Mitspieler reckt den rechten Daumen in die Höhe, die anderen zwei nicken. Es war wohl ein guter Wurf, was ich aus meiner Entfernung aber nicht beurteilen kann, weil ich das Ziel nicht sehe oder doch, denn in unmittelbarer Nähe der letzten Kugel liegt eine viel kleinere unscheinbare Kugel. Das könnte das Ziel sein. Dieser Wurf wäre dann tatsächlich ein guter Wurf und gleichzeitig auch der letzte in diesem Spiel, denn nach einem kurzen Wortwechsel sammeln sie alle Kugeln ein.

Ich habe den Spielablauf nicht vollständig verstanden, habe zu wenig gesehen, möchte aber mehr über das Spiel wissen; denn Ria hat mir Boulekugeln geschenkt und wenn wir zusammen oder mit Freunden, die uns noch besuchen werden, spielen wollen, dann wäre es gut, nach richtigen Regeln zu spielen.

Die vier Männer sind in der Zwischenzeit zu einer anderen Stelle ihres „Spielfeldes“gegangen, sie liegt dem Kreis des vorangegangenen Spiels ein paar Meter gegenüber. Jeder Spieler hat drei Kugeln in den Händen.

Ein Spieler zieht mit der Schuhspitze einen kleinen Kreis, stellt

sich in den Kreis und wirft von dort die kleine Kugel in das Spielfeld. Sie ist nicht aus Metall, eher aus Holz, sie rollt auch nicht gut auf dem Untergrund und bleibt nach ungefähr sieben Metern liegen. So sieht also eine Spieleröffnung aus. Der Mann bleibt im Kreis stehen, legt eine Boulekugel in seine rechte Hand, geht in die Hocke, der rechte Arm schwingt ein wenig nach vorn und wieder nach hinten, er scheint die kleine Kugel anzuvisieren. Dann erfolgt ein Wurf mit einer flachen Flugbahn. Die Kugel rollt auf das anvisierte Ziel zu und bleibt ganz dicht davor liegen. Wer ist jetzt an der Reihe? Die andere Mannschaft bespricht sich kurz, bevor einer von ihnen den Kreis betritt. Er geht auch in die Hocke, die Kugel ruht schon in der rechten Hand; sein rechter Arm pendelt deutlich stärker als bei dem vorherigen Spieler. Stark beschleunigt verlässt die Kugel die Hand, fliegt ohne erkennbaren Bogen, schlägt kurz vor der ruhenden Kugel auf und schießt sie mit einem deutlich hörbaren Geräusch seitlich an der kleinen Kugel vorbei, weit weg von ihr. Die soeben geworfene Kugel bleibt in der Nähe der kleinen Kugel liegen. Das war wohl eine bewusst durchgeführte Aktion. Ein Spieler der Mannschaft, die die erste Kugel gespielt hat, setzt das Spiel fort. Warum sie an der Reihe ist? Ich weiß es nicht, ich kenne die Spielregeln nicht.

Gespielt wird auf mehreren nicht gekennzeichneten Spielfeldern gleichzeitig.

Es ist etwas schwierig, die Felder auseinanderzuhalten. Für die anwesenden Spieler aber wohl kein Problem.

Jedes Spiel befindet sich in einer anderen Spielphase. Hier wird über eine Situation diskutiert, dort tritt eine Spielerin in den kleinen Kreis und wirft die Kugel aus dem Stand. Im Feld nebenan überprüft ein Spieler eine momentane Spielsituation. Er scheint sich etwas zu überlegen, etwas abzuschätzen. Vielleicht ist er gleich an der Reihe.

Auf dem Platz befinden sich auch Zuschauer, Frauen und Männer, einzeln oder in Grüppchen, sitzen auf einer Holzbank und diskutieren vielleicht über ein Spiel oder reden über ganz andere Dinge, aber wer weiß das genau? Zwei ältere Frauen sitzen auf Klappstühlen, scheinen das Spiel, die Atmosphäre auf dem Platz in der Herbstsonne zu genießen. Neben ihren Stühlen stehen Körbe. Vielleicht Picknickkörbe?

Mir fällt auf, dass es auf dem Platz erstaunlich ruhig ist, nur von dem Geräusch unterbrochen, wenn Metall auf Metall trifft. Eher zufällig beuge ich mich etwas nach vorn über die Mauer und sehe unter mir mehrere Gewölbe mit halbrunden Holztoren. Zwei sind geöffnet und auf den Innenseiten der Tore hängen Tafeln, die mit Kreide beschrieben sind. Eine Spielergruppe bewegt sich gerade auf eine Tafel zu und lässt wahrscheinlich ein Spielergebnis anschreiben.

Ein paar Tage später finde ich über den Internetzugang im Café du Commerce interessante Informationen über das Boule-Spiel: über seine Geschichte, seine Organisationen, die Begriffsklärung, Grundregeln, Kugelarten, Formen des Wettbewerbs und noch viel mehr. Bei Youtube kann ich mir sogar Filmsequenzen zum Spiel anschauen. Ich stoße auch auf einen Link mit dem Begriff Pétanque. Diese Ausführungen verunsichern mich allerdings.

Das Wort Boule ist der Oberbegriff für alle Spiele mit Kugeln, die aus Frankreich kommen. Boule übersetzt bedeutet Kugel. Das Wort Boule wird von den Franzosen selten verwendet, regulär sprechen sie von Pétanque. In Deutschland ist das Wort nicht so geläufig. „Wir gehen Boule spielen“, hört man hier überwiegend.

Ich finde auch einen Artikel über den Ursprung des Pétanque. Er ist im Ort La Ciotat an der Côte d´Azur. Dort lebte Anfang des 20. Jahrhunderts der gute Boule-Spieler Jules Le Noir. Er litt unter Rheuma und konnte nicht mehr nach den Regeln spielen; denn danach musste der Spieler mit drei Anlaufschritten von einer Abwurflinie die Kugel in das Feld werfen, um die Distanz zur Zielkugel, die bis zu zwanzig Meter betragen konnte, zu überwinden. Sein Freund Ernest Pitiot hatte eine glänzende Idee, um seinem Freund zu helfen. Anstelle einer Abwurflinie zog er mit der Schuhspitze einen kleinen Kreis, stellte sich hinein und spielte die Kugel mit geschlossenen Füßen aus dem Stand.

Das war 1907. Der Ursprung des Pétanque-Spiels und für Jule Le Noir ein Stück gewonnene Lebensqualität.

Pétanque, aus dem Französischen pieds tanqués abgeleitet, bedeutet sinngemäß: die Füße zusammen oder beieinander halten. Ziel des Spiels ist, dass jeder Spieler versucht, seine Kugel näher an die Zielkugel (auch Schweinchen genannt) zu legen als der Gegenspieler. Am Ende eines Spiels bekommt jede Kugel einen Punkt, die näher am Schweinchen liegt als die beste der anderen Mannschaft. Eng kann es dabei zugehen, sehr eng, manchmal muss auch nachgemessen werden. Schließlich geht es doch um Punkte. Wenn nur eine Kugel einer Mannschaft näher an der Zielkugel liegt als die erste der anderen, dann gewinnt sie diesen Durchgang, auch Aufnahme genannt, mit einem Punkt. Bei zwei Kugeln mit zwei Punkten, usw.. Gewonnen hat am Ende die Mannschaft, die 13 Punkte erreicht hat. Der Artikel beschreibt auch noch andere Mannschaftsformen.

„Ria, ich bin jetzt etwas schlauer, wie das Boule-Spiel, eh… korrekt… Pétanque gespielt wird. Bevor ich aber Wichtiges wieder vergessen habe, lass´ uns morgen auf dem Platz neben dem Café du Centre spielen, wo auch die Dorfbewohner spielen. Mit einem Gläschen Pastis als Zielwasser.”

„Perfekt, das machen wir!”

Es gäbe noch weitere Details, aber lieber nicht. Ich will nur noch eins: So schnell wie möglich mit Ria die Theorie in die Praxis umsetzen, im Spiel eins gegen eins (tête à tête), jeder hat drei Kugeln.